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Podiumsdiskussion in London - Advisory First in der Praxis

Bei der Accountex im Mai 2024 in London habe ich eine inspirierende Podiumsdiskussion verfolgt mit dem Thema

„Advisory in the new era: Bridging the gap between accounting firms and clients“

Der Inhalt lässt sich in zwei Worten zusammenfassen: „Advisory First“

Das gesamte Dienstleistungsangebot dreht sich dabei um Beratung und wird sowohl bei den internen Prozessen als auch gegenüber den Mandanten immer in den Vordergrund gestellt.

In der Podiumsdiskussion berichten und diskutieren die Kanzleien, wie ihnen diese Neuausrichtung gelungen ist. Im Auszug aus dem Webinar Accountex 24 könnt Ihr Euch meinen „euphorischen😉“ Berricht anschauen / anhören.

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Und für die Lesefreunde habe ich meine Erkenntnisse und Gedanken dazu hier zusammengefasst.

Was bedeutet Advisory First?

Gegenüber den Mandanten sprechen diese Kanzleien nur von Beratungsleistungen und nicht von Compliance – also dem klassischen deklaratorischen Geschäft in Deutschland. Zu Beginn des Mandats werden in einer der Kanzleien fünf Leitfragen besprochen, um das passende Beratungspaket zu schnüren, das der jeweilige Mandant benötigt:

  1. Wo stehen Sie heute?
  2. Was möchten Sie erreichen? Wo wollen Sie in Zukunft stehen?
  3. Wie werden Sie dorthin kommen? Wie sieht Ihre Strategie aus?
  4. Welche Ressourcen haben Sie zur Verfügung? Welche brauchen Sie?
  5. Wie messen Sie den Fortschritt? Welche Kennzahlen sind wichtig für Sie?


Die Dienstleistungen werden in drei Schwerpunkte untergliedert, zu denen jeweils ein passendes Beratungspaket angeboten wird:

  1. Finanzielle Gesundheit: Fokus auf das operative Geschäft. Den Unternehmern werden Erfolgsreports zur Verfügung, damit sie auf Kurs bleiben.
  2. Entwicklung & Controlling: Anhand von Soll-Ist-Vergleichen, ausgewählten Kennzahlen und Benchmark-Werten wird der Fortschritt gemessen und gemeinsam mit den Mandanten laufend Maßnahmen entwickelt, um die Ziele zu erreichen.
  1. Prognose und Zukunftsaussichten: Fokus auf das strategische Geschäft. Es werden Marktchancen analysiert, Investitionsmöglichkeiten geprüft und Hochrechnungen erstellt, um die Wirksamkeit von Maßnahmen zu ermitteln.

Compliance bleibt die Grundlage, doch spielt in der Außendarstellung keine Rolle mehr

Compliance wird natürlich noch gemacht. Die Mitarbeiter kümmern sich um Buchführung, Steuererklärung und Jahresabschluss. Diese Daten sind und bleiben die Grundlage des Geschäfts. Entscheidend ist, dass auch den Mitarbeitern klar ist, dass sie das nicht fürs Finanzamt machen, sondern für die Beratung der Mandanten. Denn diese Werte dienen als Beratungsgrundlage im Gespräch. Ein hoher Qualitätsanspruch ist dabei entscheidend – nicht nur inhaltlich, sondern auch in Bezug auf die Erstellungsgeschwindigkeit. Alle Buchhaltungen werden wöchentlich und auf Zwischenabschlussniveau gebucht, um eine zeitnahe und effektive Beratung zu ermöglichen.

So wird sichergestellt, dass die Berater auf Augenhöhe mit dem Mandanten sprechen und zwischen den vereinbarten laufenden Beratungsgesprächen reagieren können, wenn etwas dramatisch abweicht.

Hier wurde ein anschaulicher Vergleich gezogen:

Wenn ein Unternehmer einen Buchhalter einstellt und der oder die würde nur einmal im Monat aufs Bankkonto schauen und sich um die Buchhaltung kümmern, dann wäre er oder sie ziemlich schnell wieder gefeuert. Nur wir Steuerberater haben bisher so gearbeitet, weil wir den Umsatzsteuertermin im Fokus hatten und nicht den Mandanten. Das ist auch der Grund, warum Mandanten ihre BWA nicht anschauen – sechs Wochen später ist sechs Wochen zu spät.

Mitarbeiter als Mit-Berater?

Eine zentrale Frage ist, wie die Mitarbeiter in diesen Prozess einbezogen werden. Es geht darum, ihnen die Notwendigkeit der Neuausrichtung klarzumachen, dass dies die Kanzlei der Zukunft ist. Die Umstellung betrifft hauptsächlich den Buchungsrhythmus, inhaltlich bleibt vieles wie gehabt. Die Podiumsteilnehmer berichteten von ihren Erfahrungen, ob und wie sie die Mitarbeiter zu Mit-Beratern entwickeln.

Zu Beginn dachten sie, dass es gut wäre, wenn alle oder zumindest ein Teil der Mitarbeiter in die Beratung einsteigen würden. Doch das führte zu Stress und Kündigungen, da viele Mitarbeiter lieber gute fachliche Arbeit leisten und die Beratung den Partnern überlassen möchten. Ein Umdenken war notwendig: Jeder sollte seine Stärken ausspielen können. Natürlich entwickeln sich einige Mitarbeiter zu Beratern und erhalten entsprechende Unterstützung. Fachmitarbeiter, die in ihrer Rolle bleiben wollen, sind ebenso wertvoll und stellen mit Hilfe von KI hervorragende Auswertungen für die Beratung bereit.

Diese Diskussion spiegelt auch die Überlegungen von Cordula und mir wider:

Es macht keinen Sinn, die Mitarbeiter zu einem Glück zu zwingen, das sie nie haben wollten. Sie haben sich bewusst dafür entschieden, fachlich zu arbeiten und für sie gehört die Beratung da nicht dazu. Das setzt voraus, dass sich der Chef komplett aus der Deklaratorik heraushält.

Die strikte Arbeitsteilung ist das Erfolgsrezept, sonst entsteht beim Chef wieder der Flaschenhals und die Zeit für Beratung fehlt. Die Mitarbeiter wissen auch, dass sie für den fachlichen Teil voll verantwortlich sind und haben gelernt bzw. lernen, hier auch Entscheidungen zu treffen, die sonst gern an den Chef delegiert werden. Das funktioniert nicht von heute auf morgen, sondern ist ein laufender Lernprozess.

Educate your Clients: Mandanten wollen beraten werden – sie wissen es nur manchmal nicht

Wie sieht es auf der Mandantenseite aus? Wie nehmen sie dieses Beratungsangebot in Anspruch?

Die Aussage „Mandanten wollen keine Beratung oder nicht dafür bezahlen“ hören wir immer wieder. Entscheidend ist: You have to educate your clients. Der Begriff to educate im Englischen passt hier schöner als das deutsche „erziehen“. Denn das hat etwas von Bevormunden und Lehrer-Schüler- oder Eltern-Kind-Beziehung. Mandanten sind erwachsene Menschen und es geht darum, auf Augenhöhe zu kommunizieren. To educate meint in diesem Sinne, dass die Berater den Mandanten aufzeigen, wie sie von der Beratung profitieren.

Ein anschauliches Beispiel ist das Urlaubsbild, das einer der Teilnehmer gern bei der Bilanzbesprechung verwendet:

Stellen Sie sich vor, Sie fahren zwei Wochen in Urlaub mit der Familie. Und Sie haben kein Ziel ausgesucht. Dann fahren Sie zwei Wochen kreuz und quer durch die Gegend. Das kann zwar für den einen oder die andere auch mal lustig sein und sicher erlebt man viel auf dieser Reise, doch man kommt nirgends an und sonderlich erholsam ist es vermutlich auch nicht. Und so ist es mit Ihrem Unternehmen: Was ist das Ziel, welchen Weg schlagen wir ein, wo machen wir Pause, was nehmen wir mit usw.

Natürlich gibt es auch Mandanten, die nur Compliance in Anspruch nehmen. Doch das wird nicht Compliance genannt, sondern begleitende Beratung im operativen Geschäft. Der Fokus bleibt auf der Beratung.

Ist die Umsetzung nicht sehr aufwendig und kostspielig?

In monatlichen oder vierteljährlichen Jour-Fixe-Terminen mit den Mandanten werden auf Grundlage der Auswertungen der aktuelle Stand, Ziele und Maßnahmen besprochen. Der Berater bereitet sich vor, schaut sich die Zahlen an und nutzt bei Bedarf KI, um passende Fragen zu entwickeln. Im Gespräch ergibt sich die Beratung dann von selbst. Entweder werden Themen abschließend geklärt oder es ergeben sich Folgeaufträge, beispielsweise für eine Investitionsplanung oder Rechtsformgestaltung.

Eine Idee aus den delfi-net Treffen: Für das Quartals-Jour-Fixe könnten vorab die Themenbereiche festgelegt werden, damit sich Mandant und Steuerberater nur um diesen Bereich kümmern. Das schafft Klarheit und Sicherheit für beide Seiten.

Beispiel:

Q1: Strategie und Ziele,

Q2: Investitionen und Liquidität,

Q3: Gehälter und Mitarbeiter,

Q4: Werteaufbau und Altersvorsorge.

Auch das ist eine Form von „Educate your Clients“ – wir geben in der Beratung Ablauf und Themen vor und der Mandant folgt unserer Expertise.

Wie sieht diese Beratung konkret aus?

Ein häufiger Einwand ist, dass solche Veränderungen viel Zeit und Geld kosten und sich nicht lohnen. Doch wie Jordan B. Peterson sagt: „You pay a price for bloody everything. You don’t have the choice, to pay no price. You only can choose, which poison you take.“ (Du zahlst für alles, was du tust, und für alles, was du nicht tust, einen Preis. Du hast nicht die Wahl, keinen Preis zu zahlen. Du kannst dir nur aussuchen, welches Gift du zu dir nehmen willst. Das war‘s.)

Natürlich kann eine Kanzlei Beratung weiter als Nebengeschäft sehen und weitermachen wie bisher. Doch dann zahlt sie möglicherweise den Preis, dass irgendwann die Mandanten weg sind oder die Tätigkeiten so automatisiert ablaufen, dass die jetzige Honorarhöhe nicht mehr gerechtfertigt und das Geschäftsmodell veraltet ist.

Dazu passt auch der Beitrag von Cordula Zukunft kostet Geld

Fazit

Diese Podiumsdiskussion auf der Accountex 2024 hat mir wieder eindrucksvoll gezeigt, wie eine konsequente Neuausrichtung in der Steuerberatung aussehen kann. Das Konzept „Advisory First“ bietet spannende Einblicke und konkrete Ansätze, wie sich Steuerkanzleien auf die Zukunft vorbereiten können. Die Kombination aus Automatisierung, strategischer Beratung und einem klaren Fokus auf die Bedürfnisse der Mandanten ist ein Erfolgsrezept, das Kanzleien zukunftssicher positioniert. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, den Wandel anzustoßen und die Kanzlei fit für die Zukunft zu machen. Auf geht’s – die Beratung von morgen wartet!

Smarte Grüße

Deine Kanzleioptimisten

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