Die STAX-Umfrageergebnisse aus der Befragung im Auftrag der Kammer 2018 sind veröffentlicht. Für uns immer auch eine Gelegenheit unseren Einblick in die Branche mit der Statistik abzugleichen. Und wichtig sind ja nicht nur die Ergebnisse selbst, sondern die Schlussfolgerungen daraus. Und ja – natürlich glauben wir mit Churchill nur bedingt an Statistiken, die wir nicht selbst gefälscht haben 😉
Hier also unsere Sicht der Dinge, die aus einer wesentlich kleineren Grundgesamtheit resultiert, die wir aber nicht ausschließlich mit Befragungen zur Selbsteinschätzung, sondern aus der individuellen Kenntnis unseres Netzwerks delfi-net (ca. 100 Kanzleien bundesweit), vielen Kanzleiberatungen vor Ort und nicht zuletzt auch aus der Arbeit mit Mitarbeitern in der Kanzlei jeden Tag gewinnen dürfen.
Vorab: Schauen Sie sich die Ergebnisse von STAX an und überlegen Sie wie das zu Ihrer Kanzleiwirklichkeit passt. Download hier.
Wir werden hier nicht die einzelnen Ergebnisse vorstellenn sondern gehen gleich dazu über, was sich aus der Befragung in Kombination mit unseren Erfahrungen für Trends und Handlungsfelder ergeben. Die wichtigsten Ergebnisse streuen wir an passender Stelle aber ein.
1. Sorgenkind Einzelkanzlei?
Die Einzelkanzlei schneidet bei allen Themen nach STAX eher schlecht ab.
Thema Gewinnsituation
Ein Schnitt von 107 T€ p. a.. Kaum das, was man nach Steuern bei einem Existenzgründer als „Vollexistenz“ bezeichnen würde. Insbesondere nicht, wenn die Investitionen in Digitalisierung mit zusätzlich steigendem Fortbildungsbedarf und höheren Gehältern einher geht.
Nun gut, ein Drittel der Einzelkanzleien beschäftigt gar keine Mitarbeiter – deren Gewinnsituation sollte man vielleicht mal raus rechnen …
Unsere Sicht: Eine Kanzlei, die nicht nachhaltig einen Gewinn von 150T€ im Jahr aufweisen kann, wird große Schwierigkeiten haben auf Dauer technisch am Ball und attraktiv für Mitarbeiter zu werden. Von der Altersvorsorge des Inhabers mal ganz abgesehen.
Thema Digitalisierung
Hier sieht es nach STAX auch nicht besser aus: Zwar haben die Einzelkanzleien die Bedeutung der Digitalisierung insbesondere auch als Wettbewerbsfaktor in Bezug auf Mandanten und Mitarbeiter erkannt, nach STAX gibt es jedoch einen „deutlichen Rückstand“ beim Digitaliserungsgrad. Das hängt auch damit zusammen, dass der organisatorische Aufwand und der Weiterbildungsbedarf proportional zu größeren Kanzleien höher ist. Der Chef ist zusätzlich an dieser Stelle oft der Flaschenhals, weil er „nebenbei“ auch noch den Projektverantwortlichen geben muss.
Unsere Sicht: Im Großen und Ganzen können wir die Ergebnisse durchaus so akzeptieren. Allerdings erleben wir zunehmend junge Einzelkanzleien, die von Anfang an auf Digitalisierung setzen und damit sehr schnell ziemlich erfolgreich sind. Technisch und finanziell sowie bei der Suche nach Mitarbeitern.
Die Frage ist ja auch, wie lange werden wir durch Automatisierung und Digitalisierung die Anzahl der Mitarbeiter noch als Indikator für die Größe der Kanzlei gebrauchen können?
Thema attraktiver Arbeitgeber
Hier kann die Einzelkanzlei durchaus punkten. Die Fluktuation ist geringer, was zusammen mit einer meist flachen Hierarchie und mehr Einbeziehung in Entscheidungen einen Wettbewerbsvorteil darstellen kann. Allerdings haben Einzelkanzleien auch mehr Schwierigkeiten Mitarbeiter zu finden.
Unsere Sicht: Ja, die Fluktuation ist geringer. Das muss aber nicht unbedingt ein positiver Faktor sein. Zu viel „Kuschelatmosphäre“ und dadurch Inkonsequenz bei der Personalentwicklung und der Zusammensetzung eines auf die Zukunft ausgerichteten Teams werden hier schnell zum Hemmschuh.
Unsere Empfehlungen für die Einzelkanzlei
Digitalisert Euch!
Aus unserer Sicht ist es gerade für die Einzelkanzleien entscheidend, sich konsequent digital aufzustellen. Die effiziente Abwicklung der Deklarationstätigkeiten ist in der Einzelkanzlei ein absoluter Überlebensfaktor. Und wir sprechen hier nicht nur von „wir scannen Fibu-Belege ein“, die Digitalisierung geht viel weiter! Bonmot am Rande: Eine Erkenntnis der Umfrage ist: „Die Digitalisierung geht für viele Kanzleien weit über den eigenen Internetauftritt hinaus.“ Entschuldigung an die Kammer, aber dabei habe ich nach einem Lachkrampf dann sofort einen Weinkrampf bekommen. Die Kommentierung dieses Wahnsinns überlasse ich aber gerne meiner Kollegin Angela hier oder im Kanzleifunk, der dieses Thema demnächst sicher aufgreifen wird.
Spezialisiert Euch!
Alle Themen – neben die rein steuerliche Beratung tritt ja zunehmend die betriebswirtschaftliche Beratung – abzudecken ist Illusion. Finden Sie Ihren Schwerpunkt. Das muss keine Branche sein – da müssen Sie ja schon wieder aufpassen ob es diese Branche demnächst noch gibt ;-). Eine Spezialisierung nach Themen oder Gesellschaftsformen können hier Alternativen sein.
Ideen dazu finden Sie zum Beispiel im Blogbeitrag:“Der Allrounder und die Schweinebraten-Positionierung„
Spielt Eure Stärken als attraktiver Arbeitgeber aus!
Das hat natürlich zum einen mit dem Punkt Digitalisierung zu tun. Aber in flexiblen Arbeitszeiten und – Orten, flachen Hierarchien und echter Beteiligung an Entscheidungen liegt viel Potential.
2. Sozietät oder Gesellschaft als sichere Lösung?
Nach STAX ist der Zusammenschluss mit Kollegen deutlich weiter vorn. Höhere Gewinne, höherer Digitalisierungsgrad, bessere Delegationsmöglichkeiten in Projekten durch entsprechende Mitarbeiterressourcen und leichtere Mitarbeitergewinnung sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der Befragung.
Unsere Sicht: Einige Dinge werden zusammen leichter: Die Digitalisierung (inklusive Fortbildung und Investitionen) lässt sich leichter stemmen – sowohl organisatorisch als auch finanziell. Vertretung und fachlicher Austausch sind weitere Vorteile. „Automatisch“ nur durch den Zusammenschluss kommen diese Vorteile aber nicht daher. Nicht zufällig erleben wir bei den Sozietäten und Gesellschaften auch viel Fluktuation bei den Partnern. Gemeinsame Strategietage und enge Abstimmung in Projekten helfen.
Unsere Empfehlungen für Sozietäten/ Gesellschaften
Digitalisiert Euch weiter!
Ruhen Sie sich nicht darauf aus, dass Sie immerhin schon 10 Mandanten in Unternehmen Online oder entsprechenden Lösungen anderer Anbieter haben. Das ist die kleinste Stufe – digitale Buchhaltung für alle und dann auch für die anderen Dienstleistungen (Bilanz/ Steuern/ Lohn) sind jetzt an der Reihe.
Spezialisiert Euch – auf breiterer Ebene!
Bevor Sie „wüst“ einen Fachberater nach dem anderen in genauem Zentimeter-Abstand auf Ihren Briefbogen drucken, überlegen Sie strategisch wie Sie sich mit Ihren Partnern Geschäftsfelder ergänzend erschliessen und welche konkreten Dienstleistungen Sie anbieten wollen.
Spielt Eure Stärken als attraktiver Arbeitgeber aus – mit Außenwirkung!
Für größere Kanzleien ist es an der Zeit, im Bereich „Mitarbeiter-Marketing“ richtig Gas zu geben. Social Media ist Pflicht – und kostet Zeit. Sie haben die Ressourcen eine „Marketingperson“ einzustellen oder fortzubilden (und sei es in Teilzeit), die sich wirklich um diese Dinge kümmert. Ein wirklich modernes Büro bedeutet mehr als zwei Bildschirme auf dem Schreibtisch. Home-Office, flexible Arbeitszeiten und interessante Aufstiegsmöglichkeiten sind hier die „Features“, mit denen Sie punkten können.
3. Und sonst? Honorar!
Als bekennende Honoraroptimistin ist mein Fokus natürlich immer auf diesem Thema. Und was muss ich bei STAX lesen?
- Der Umsatz der vereinbaren Tätigkeiten ist bei Einzelkanzleien von 2012 2,3 % auf 2018 6,6 % gestiegen – bei Sozietäten immerhin von 4,4 auf 10,5 %. Vow? Da wünsche ich mir weniger „Kammersicht“. Interessant finde ich insgesamt, welchen Umsatz die Kanzleien mit Allem machen, was über die Deklaration hinaus geht. Meine Erfahrung – wir liegen da – zumindest nach Rechnungsausgangsbuch – bei 3 und 10 %. Das ist zu wenig für die Zukunft! Unter dem Stichwort „Beraterkanzlei“ finden Sie dazu ja in unserem Blog und anderswo jede Menge Artikel, Webinare und Workshops.
- Erschreckend ist für mich: Die Kanzleien hängen im Umkehrschluss immer noch zu fast 90 % von den klassischen Tätigkeiten ab, die laut den „Digitalisierungsantworten“ insbesondere in den Einzelkanzleien immer noch ganz klassisch „von Hand“ erledigt werden.
Das sind aber genau die Gebiete, die von den „neuen“ Anbietern für Cloudbuchführungsangebote und/ oder Einkommensteuerportale „angegriffen“ werden. Und die sind gekommen um zu bleiben.
4. Resumee – der Vulkan bricht aus
Zuerst: Danke für die Umfrage an die Kammer – verbunden mit dem Wunsch, dass die Ergebnisse auch schnell konkrete Auswirkungen haben – zum Beispiel bei der Neuordnung der Ausbildung von Mitarbeitern.
Pompeii ging im Jahre 79 n. Chr. unter, weil der Vesuv „ohne Vorwarnung“ ausbrach. Heute gibt es wesentlich bessere Vorhersagesysteme. Das nützt aber nur denen etwas, die auf die Warnungen schnell reagieren. Die anderen tanzen auf dem Vulkan …
Zuerst raucht es ja auch nur – was dann auch die Sicht schwierig macht. Wenn es richtig rumpelt, ist es meist schon zu spät sich in Sicherheit zu bringen. Nach dem Ausbruch beruhigt sich die Landschaft und ist relativ schnell fruchtbarer als zuvor.
Bringen Sie sich rechtzeitig, also jetzt!, in Sicherheit und seien Sie über die richtige Strategie und Umsetzung vorbereitet, wenn nach dem Ausbruch die Landschaft für diejenigen fruchtbarer wird, die noch da sind, um es zu geniessen.
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