Die Fibu ist (war) bei Ihnen der Einstieg in die Digitalisierung? Und dieser erste Schritt ist schwer genug oder? Und es ist wirklich nur der erste Schritt – und ein vergleichsweise kleiner auf dem Weg in die wirklich digitale Kanzlei.

Angela und ich sind ja viel unterwegs – in Deutschland, und gern auch im Ausland. 

In Sachen Digitalisierung lohnt der Blick insbesondere in die englisch sprachigen Länder besonders. Dort sind viele EDV-Lösungen durchaus schon weiter entwickelt als hier bei uns. Akzeptanz und Vertrauen gepaart mit deutlich weniger Sensibilisierung für Datenschutz haben diesen Vorsprung geschaffen.

Die gute Nachricht: Auch bei uns wird die Software-Landschaft lebhafter besiedelt. (Und sehen Sie es bitte als gute Nachricht – Sie können es eh nicht ändern)

Das bedeutet auch, dass die Funktionen, die wir in der Kanzlei gerne hätten, heute nicht mehr allein durch die “vollintegrierten“ Lösungen der Komplettanbieter wie DATEV, Addison, Agenda und Simba (um nur die größten vier Anbieter zu nennen) geliefert werden. Zunehmend kommen zusätzliche Lösungen auf den Markt. Man könnte auch sagen: Im Moment schießen sie förmlich aus dem Boden.

Die Frage: Was brauchen Sie wirklich – und wie werden die Lösungen aussehen

1. Die drei Bereiche der modernen Kanzlei-Software

Hier sollten Sie auf Dauer gut aufgestellt sein:

EDV-Bereiche

Fachliche Programme

Hier geht es neben den bisher schon üblichen „deklaratorischen“ Programmen insbesondere zukünftig um Lösungen für die betriebswirtschaftliche Beratung Ihrer Mandanten.

 

  • Prozessoptimierung Rechnungswesen – GoBD und Co
  • Vermögensplanung
  • Liquiditätsplanung
  • Controlling-Lösungen
  • Lösungen für die USt – insbesondere für Online-Händler
  • Nettolohnoptimierung

Je nachdem welche Dienstleistungen Sie schon anbieten.

Lösungen für die interne Organisation

Neben DMS, Leistungserfassung und Honorarabrechnung und ASP – viel mehr haben Sie bei den jetzigen Lösungen tatsächlich genau besehen nicht :

 

  • Lösung für Auftragssteuerung und Kontrolle
  • Collaborationplattformen für die digitale , interne Zusammenarbeit
    (Kommunikation, Projektmanagement, …)
  • Lösungen zum digitalen Lernen
  • Videoconferencing
  • Digitale Signatur
  • Dienstleistungskatalog und Honorarrechner
  • Wissensmanagement

Lösungen für die Zusammenarbeit mit Ihren Mandanten

Auch hier gilt es die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen:

 

  • Lösungen für den Beleg- und Informationsaustausch (Mandanten -Portal)
  • Terminvereinbarung online
  • Schnittstellen zu den gängigen Online-Buchhaltungssystemen
    Unser Tipp: Suchen Sie sich drei aus, die Sie „offiziell“ bedienen – die sollten eine gute Schnittstelle zu Ihrer Kanzleisoftware haben.
  • Videoconferencing
  • In diesem Bereich werden Sie von Ihren Mandanten auch als Empfehler gesehen. De Mandant will Rechnungen schreiben, seine Waren und seien Mitarbeiter organisieren, Kasse machen, …

Wenn er dabei die steuerlichen Vorschriften erfüllen soll und effizient arbeiten will, sind Sie einer der ersten Ansprechpartner, weil er Ihrem „neutralen“ Urteil vertraut.

Eine Übersicht mit Verlinkung zu den einzelnen Anbietern senden wir Ihnen gern. Einfach unter service@kanzleioptimisten anfordern. Das ist ein Überblick – keine Werbung und auch kein Anspruch auf Vollständigkeit 😉

2. Wie sehen moderne Software-Lösungen aus

Wie „Lösungen“? Natürlich erwarten Sie die „Eier legenden Wollmilchsau“, die alle Funktionen vollintegriert liefert!

Im Moment leider Fehlanzeige. Ich persönlich glaube auch nicht, dass es diese Lösung irgendwann geben wird. Wenn Sie sich die App-Entwicklung „draußen“ mal anschauen, geht der Trend auch in eine ganz andere Richtung.

Auch dort gibt es für jede Funktion eine eigene App – „Application“ heißt ja nichts anderes als Anwendung, also ein Programm.

 

Kleines Beispiel: Die meisten haben eine Wetter-App auf ihrem Handy. Ich habe grad mal den App-Store meines IPhones besucht: geschätzt 250 Wetter-Apps (ok, manche in verschiedenen Versionen … und inklusive Mondphasen, Regenradare und Windfinder für Segler). Irgendwie haben Sie sich entscheiden oder? In guter Google-Manier haben Sie vielleicht die auf der ersten Seite genommen, oder Sie haben nach den Empfehlungen geschaut, oder Sie hatten eine persönliche Empfehlung vom Nachbarn. Ist das Ihre erste Wetter-App? Oder haben Sie vorher schon mehrere ausprobiert?

 

Ja, ich weiß, das Beispiel hinkt – wie alle anderen Beispiele auch.

Natürlich ist die Auswahl einer Wetter-App nicht so bedeutungsvoll wie die Auswahl einer Controllingsoftware – jedenfalls für einen Steuerberater – bei einem Bauern sähe es wohl schon anders aus.

 

Was ich damit zeigen will ist: Wir werden in der Zukunft für fast jedes unserer verschiedenen Arbeitsfelder eigene Apps haben. Und zwar jeweils mehrere zur Auswahl.

 

Wahnsinn? Das Gute: Mit der Vielfalt der Apps geht auch eine andere Entwicklung einher: Die Zusammenarbeit der Apps untereinander wird einfacher – auch wenn sie nicht vom selben Hersteller sind.

 

Denn moderne Anwendungen sind Spezialisten, die aber gerne mit anderen zusammen arbeiten.

 

Sie kennen das schon vom Ihrem Handy: Das Adressbuch arbeitet mit der Navigationsapp zusammen …

 

Genau: Nennt man „Schnittstellen“. Heute gerne „API-Schnittstellen“ (application programming interface).

 

Und entgegen dem, was uns unsere Kanzleisoftwarehäuser seit Jahren versuchen weiß zu machen: Das ist heute kein Hexenwerk mehr. Voraussetzung: Die jeweilige Software ist „offen“. Da liegt oft der Haken bei er Sache. Nicht jede Kanzleisoftware ist wirklich offen. Da wird viel gemauert …

Das wird sich aber nicht mehr lange alten lassen. Die traditionellen Anbieter können einfach nicht einfach alles selber programmieren bzw. komplett zukaufen. Kooperation ist der Schlüssel zum Erfolg im 21. Jahrhundert – nicht nur in der EDV.

 

Als eine Vielzahl von Lösungen. Der „App-Store“ für die Kanzlei? In dem es für die verschiedenen Funktionen jeweils verschiedene Apps gibt, die Sie dann im „Baukastensystem“ nach Gusto zusammen bauen können?

Ja.

 

Gibt´s ja nicht? Doch. Die Marktführer Xero /(Australien/ UK) und Quickbooks (USA) arbeiten schon länger sehr erfolgreich mit diesem „Kanzlei-Kosmos“.

 

Die Datev hat den Weg mit ihrem Markplatz bereits eingeschlagen, Addison geht noch einen Schritt weiter. Da werden die Fremd-Apps direkt in die Oberfläche der Kanzleisoftware integriert.

 

Und so wird es sein: Die Kanzlei hat einen „Digital Workspace“ – an diesen Begriff sollten Sie sich gewöhnen. Auf diesem „Dashboard“ werden alle Apps der Kanzlei (natürlich in der Cloud). Im besten Fall so integriert, dass Sie gar nicht merken in welcher App Sie gerade arbeiten.

3. In drei Schritten zur modernen Software-Landschaft

Ein wirklich dickes Brett oder? Sicher werden Sie die „perfekte“ Lösungskombination nicht „nebenbei“ erreichen.

Daher hier ein Vorschlag, wie Sie systematisch einsteigen:

Schritt 1: Welche Lösungen brauchen wir zuerst?

Ich bin von der traditionellen Priorisierung von Projekten in den letzten Jahren abgekommen. Gefühlt hat ja das meiste die Prio A. Das hilft nicht wirklich weiter.

Statt dessen priorisieren wir unsere Projekte nach Zeit. Also nicht: Was ist am Wichtigsten, sondern: Was machen wir zuerst.

 

  • Überlegen Sie auch mit Ihrem Team, welche Lösungen für die Kanzlei im Alltag wichtig sind.

Im Moment beschäftigen sich viele Kanzleien mit dem Thema Auftragssteuerung und Kontrolle. Sicher kein schlechter Einstieg (Stichworte: Unterkapazitäten, Mitarbeiterwechsel). Auch das Thema elektronische Signatur gewinnt gerade an Bedeutung.

  • Welche Lösung für Dienstleistungen brauchen Sie als erstes?

Kasse und GoBD haben hier die Pole-Position.

  • Überlegen Sie welche Lösungen für Ihre Mandanten wichtig sind. Hier steht an erster Stelle sicher eine für den Mandanten einfache und gut an Ihre Software angebundene Lösung zum Belegaustausch und zur Kommunikation – das Mandantenportal.

Schritt 2: Welche Lösungen bietet unsere Kanzlei-Software?

Auch wenn hier nicht alles perfekt gelöst ist. Ein Hinsehen und ernsthaftes Ausprobieren lohnt sich. Hab ich schon erwähnt, dass es die optimale Lösung sowieso nicht gibt.

 

Ohne Not sollten Sie nicht an zusätzliche Lösungen denken. Darum geht es bei der „Digitalisierung mit Hirn: Ken Hype, sondern pragmatische Entscheidungen. Software ist Werkzeug, nicht Selbstzweck.

Schritt 3: Zusatzlösungen ausprobieren – Stichwort: schnelles Scheitern

Wenn es keine Lösung in Ihrer Kanzleisoftware gibt, oder die Lösung nicht praktikabel ist …

 

Googeln – Testen – Entscheiden

 

Unser Tipp: Vertiefen Sie sich auf der Website der Anbieter nicht zu sehr in die Details der Funktionen und den Vergleich von Preisen. Der „richtige“ Funktionsumfang zeigt sich erst in der Praxis – eine vermeintlich günstigere App kann sehr teuer werden, wenn sie nicht gut gemacht ist.

 

Testen Sie max. 3 Apps aus – mit konkreten Fällen. Bei den meisten – seriösen – Apps gibt es (zumindest auf persönliche Nachfrage) einen kostenlosen oder doch günstigen Testzeitraum.

 

Entscheiden Sie nach max. 3 Wochen, mit welcher App Sie los legen.

 

4. Fazit - Die drei Merksätze der Software-Auswahl

 

  • Die Digitalisierung fängt mit der Fibu erst an
  • Die perfekte, Eier legende Wollmilchsau gibt es nicht
  • Wer anfängt gewinnt – oder wie es meine Kollegin Angela ausdrückt: Version 1 ist immer besser als Version 0.