Unternehmerwissen für Steuerberater & Steuerkanzleien
Die Branche befindet sich im „war of talents“ – keine Frage, im Moment haben wir einen Arbeitnehmermarkt. So weit der Fakt.
Jetzt kann man lange Forensik betreiben und darüber lamentieren, wer denn nun „Schuld“ ist.
Haben wir zu wenig ausgebildet? Wahrscheinlich. Schaffen es Kammern und Verbände immer noch nicht, den Nachwuchs für uns zu interessieren? Sicher. Erschlägt uns die Politik mit mehr oder weniger sinnfreien Tätigkeiten, die zudem schlecht organisiert sind? Jaa. Nützen uns diese Schuldzuweisungen etwas? Neiiin!
Letzte Woche meinte eine Kollegin: Es ist wie ein Kampf gegen Windmühlen. Mein Kopfkino legte sofort los. Der Steuerberater als Don Quijote im Kampf gegen – einfach alles und jeden. Allein auf weiter Flur. Nein, doch nicht so ganz allein – da ist ja noch das brave Ross Rosinante (warum der Held männlich und das Pferd weiblich ist, erklärt sich für mich daraus, dass Frauen in der Regel keine Lust verspüren sich gegen irgendwelche „Fake-Feinde“ zu profilieren😉). Entschuldigung für mein Kopfkino – das Pferd steht bei mir sinnbildlich für unsere Mitarbeiter, die uns (bisher) brav überall hingetragen haben – egal, ob unsere Entscheidungen wirklich sinnvoll waren.
Um das Bild schnell zu vervollständigen: Als KanzleiberaterIn finde ich mich manchmal in der Rolle des Sancho Panza wieder: Treu ergeben und unermüdlich versucht er seinen Herrn von den größten Dummheiten abzuhalten – ich hoffe ich habe mehr Erfolg 😉
Ja, Mitarbeiter haben aktuell ein gute Verhandlungsposition. Die Gehälter steigen – und bis zu einem gewissen Grad ist das in Ordnung. Im Vergleich zu anderen Branchen und der Kompetenz und der Arbeitshaltung unserer Mitarbeitenden waren die Gehälter lange Zeit nicht immer angemessen. Als Honoraroptimistin sehe ich da natürlich einen direkten Zusammenhang mit zu niedrigen Honoraren😇
Die Frage ist: Was ist denn eigentlich „angemessen“? Vom Wort her wird da irgend etwas – hier das Gehalt – an etwas „angemessen“. Prinzipiell also an die Gegenleistung – also die Arbeitsleistung.
Im Moment scheint allerdings die Marktsituation der einzige Maßstab zu sein.
Die Leistung tritt in den Hintergrund.
„Ich hatte zwei neue MitarbeiterInnen gefunden. Eine kam am ersten Arbeitstag und sagte, sie wäre schon bereit, bei uns zu arbeiten, wir müssten aber das Gehalt noch mal nach verhandeln. 75.000 € brutto standen im Raum. Die zweite hat zwar den Vertrag unterschrieben, ist aber gar nicht erst erschienen.“ So ein Kollege aus einer kleinen Kanzlei im Süddeutschen.
Ein Einzelfall – nicht nachdem, was wir hören – und wir hören viel aus der Branche.
Krieg um Talente? Hmmm, mein Eindruck ist eher, dass sich viele Kanzleien vom Anspruch wirklich gute Mitarbeiter zu finden, verabschiedet haben. Hauptsache überhaupt jemanden finden.
Und das wird nicht gut gehen. Es geht schon jetzt nicht gut.
Die meisten Kanzleien – insbesondere die bestehenden Mitarbeitenden – merken schnell, wenn die Qualität des neuen Teammitgliedes nicht stimmt. Oder „die Neue“ merkt, dass sie den Anforderungen nicht gerecht wird. So oder so – ich habe keine harte Statistik – gefühlt endet aber jedes 3. neue Arbeitsverhältnis während oder nach der Probezeit.
Was dazu führt, dass die bestehenden Mitarbeiter immer unzufriedener werden …
Wir sind ja ewige Optimisten … Langfristig wird es wieder Mitarbeiter geben. Aber kurz- und mittelfristig bleibt es eng.
Selbst gute Recruiting Agenturen haben im Moment Schwierigkeiten, Leute zu finden.
Manche Krisen muss man aushalten – das heisst nicht Kopf in den Sand stecken, sondern sich mit harten Tatsachen abfinden ohne allzu sehr zu jammern (ab und an braucht man das natürlich einfach).
Nur wenn wir nicht auf die „anderen“ warten, die unsere Probleme beheben sollen, sind wir bereit und offen für Lösungen.
Eine gute Methode, die die Suche nach kreativen Lösungen fördert, ist die bewusste Eskalation. Wir stellen uns vor: Es wird nie wieder Mitarbeiter auf dem Markt geben. 😱
Und was jetzt?
Die Auswirkung: Die vorhandenen Mitarbeitenden werden immer wertvoller.
Wie wirklich wertvoll sind uns unsere bestehenden Mitarbeitenden? Was hindert uns eigentlich daran einem bestehenden und guten Mitarbeiter ein Traumgehalt zu zahlen, das ich einer Bewerberin wahrscheinlich heute eh anbieten muss? Ohne zu wissen wie gut sie wirklich ist.
Wie müsste Deine Kanzlei aussehen, wenn jeder ein Gehalt von 5.000 € brutto verdienen würde (einschließlich Assistenz)?
Geld ist nicht alles, aber es ist der Grund, warum wir überhaupt zur Arbeit gehen.
Im Wort „wertvoll“ steckt die Wertschätzung. Und die hängt nicht am Kicker in der Küche, sondern misst sich am Ernst Nehmen von Meinungen und „Befindlichkeiten“.
Damit meine ich nicht: Die Mitarbeiter haben allen möglichen Luxus und können tun und lassen, was sie wollen 😉
Eine Mitgestaltungsmöglichkeit und eine Teilhabe an Entscheidungen, die die Mitarbeitenden direkt selbst betreffen, wiegen auf Dauer schwerer als „coole“ Teamevents (obwohl die nicht schaden).
Schaut man in die Stellenanzeigen oder hört sich die Gruselgeschichten über Erfahrungen von Kollegen an, entsteht der Eindruck : Ich will als Mitarbeiterin morgens aus meinem Luxusauto steigen und über den roten Teppich in die Kanzlei gehen (am besten werde ich getragen). Alternativ sitze ich mit meiner Rolex auf der Terrasse der Kanzlei-Luxus-Finca auf Malle und schaue ab und an auf mein Tablet. Und d a s nenne ich „neue Arbeit“.
Diese Luxus-Spirale ist gefühlt endlos – wie kann man das irgendwann noch toppen?
Mein Vorschlag: Sorgen wir besser dafür, dass die Arbeit selbst gut zu ertragen ist. Denn wenn ich als Mitarbeiterin über den roten Teppich gehe, um dann bei der Arbeit nix als Stress und Ärger habe, ist mir der rote Teppich ehrlich gesagt ziemlich Wurscht.
Also: Weg vom „Green Washing“ hin zu ehrlicher Verbesserung der Arbeit.
Mache mit Deinen Mitarbeitern einen „ehrlichen“ Workshop: Was macht unsere Arbeit nervig/ stressig/ unangenehm?
Nach den wichtigsten Ergebnissen richtet Ihr dann Eure Prozessoptimierung aus.
Wir haben dazu schon einige Ideen:
– Outsourcen der Fristen an die, die sie betreffen: Mandanten. Stichwort: Ohne Beleg keine Buchung.
Mehr dazu findest Du in unserem Blogbeitrag: Belege, Belege, Belege – mittelalterliche Folter oder moderne Effizienz?
– Begrenzung der Anzahl der Mandanten pro Mitarbeitendem auf max. 20 (Vollzeit). Stichwort: Weniger (um)schalten, mehr Gas geben.
– Fristenkonkurrenz ausschalten. Stichwort: Rewe o d e r Lohn Jeder nur ein Kreuz – äh nur eine Frist. Weg vom Allrounder hin zum fokussierten Spezialisten.
Ihr habt noch andere Ideen: Gerne Feedback.
Digitalisierung heisst heute besser Automatisierung. Menschen mit Hirn (und das hat schließlich jeder!) sind zu schade für Routinetätigkeiten, die eine „Maschine“ erledigen kann. Und wie wir gerade am Beispiel Chat GPT sehen, geht da eine Menge.
„Smart“ steht dabei bei uns nicht nur für digital automatisiert, es steht auch für die Fähigkeit, v o r der Prozessoptimierung kurz noch einmal inne zu halten und sich zu fragen: Ist die Tätigkeit, der Prozess, die wir uns gerade vornehmen wollen, überhaupt notwendig?
Zum Thema „smart work“ findest Du in unseren Webinaren immer wieder Anregungen und praktische Tipps.
Am besten über das Monatsabo – dann verpasst Du nichts und hast alle – auch die vergangenen – Webinare, eBooks und diverse Arbeitshilfen jederzeit frei zur Verfügung.
Eine Kanzlei hatte mich neulich beim Kanzleientwicklungcoaching gefragt, wie man den Prozess der Bilanzbindung unter Einbindung des Sekretariats entlastender für die Fachmitarbeiter gestalten kann. Meine Gegenfrage: Für wen bindet Ihr Bilanzen?
Und vielleicht gibt es auch bei Dir in der Kanzlei darauf die Antwort: Ja, da haben wir schon noch ein paar Mandanten, die das wollen. Stell an diese Mandanten bitte folgende Fragen:
1 Was machst Du mit dieser Bilanz? (Abheften?)
2 Und wann hast Du sie noch einmal hervorgekramt?
Andere Beispiele gefällig? An wen schreiben wir noch Briefe und warum nutzen wir dafür nicht den Versandservice von Datev/ Post? Was müssen wir wirklich noch (digital) unterschreiben?s
Lasst uns die Arbeit für unsere Mitarbeitenden (und für uns) so optimieren, dass sie angenehm und stressfrei von der Hand geht. Wir haben lange genug immer nur für andere optimiert (Finanzamt, Banken, Krankenkassen. …) – und damit meine ich bis zu einem gewissen Grad auch die Mandanten. Das Motto: Selbstbewusste Zusammenarbeit auf Augenhöhe statt „devote“ Wunscherfüllung😉
Wenn Du dazu mehr erfahren willst, wie wir Kanzleientwicklung denken, empfehlen wir Dir die Webinar-Aufzeichnung:
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vom 18. Januar 2023
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