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Gabel mit Kabelsalat

FEHLER sind HELFER – wie Sie ein lösungsorientiertes Fehlermanagement etablieren

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Im November 2019 habe ich zum Thema Fehlermanagement einen tollen Vortrag auf der TEDxFrankfurt gehört mit dem schönen englischen Wortspiel „Failosophy“, also die Verbindung von Fehler und Philosophie: „How to win at losing“ von Gabe Zichermann (Übrigens: auch die anderen Vorträge, die alle auf dieser Webseite zur Verfügung gestellt werden, sind durchweg lohnenswert und auf Englisch gut verständlich).

Aussagen wie „Fehler sind Chancen, aus denen wir lernen“ oder „Jede Beschwerde ist ein Geschenk“ werden zwar gerade noch im Umgang mit
Mandanten von den Mitarbeitern abgenickt, aber wenn es darum geht, selbst einen Fehler zuzugeben, versucht der Einzelne oft alles, um das Geschehene zu vertuschen und den Fehler so zu beheben, dass es hoffentlich niemand merkt. Das ist durchaus menschlich, denn niemand gibt gern zu, dass er etwas falsch gemacht hat. Und in der Schule sind wir darauf konditioniert worden, dass Fehler schlecht sind und bestraft werden.

Der Begriff „Fehler“ ist in unserer Gesellschaft negativ besetzt, das macht es oft schwierig ein Fehlermanagement in der Kanzlei zu etablieren. Andere Begriffe zu finden wie „Vorschlagswesen“ oder „Verbesserungsmanagement“ mögen da eine Krücke sein, aber letztlich bleibt es dabei – es geht um Fehler.

Eine nette Eselsbrücke habe ich auf dem Blog von Enrico Pfützner gefunden: Wenn man die Buchstaben des Wortes FEHLER vertauscht, erhält man HELFER

Wie können Sie Fehlermanagement bei sich in der Kanzlei etablieren? Diese 4 Regeln helfen Ihnen dabei

 

Regel Nummer 1: Reagieren Sie positiv und konsequent

Niemand macht freiwillig Fehler und jedem ist es unangenehm, wenn er einen Fehler entdeckt. Wenn Sie im ersten Moment ärgerlich reagieren,
gießen Sie Öl ins Feuer. Und selbst wenn der Fehler noch so gravierend ist, in dem Moment wo er auftaucht, ist das Kind sowieso schon in den Brunnen gefallen. Durch „Runterputzen“ des Mitarbeiters gewinnen Sie gar nichts, sondern bestärken den Mitarbeiter in der Zukunft alles zu tun, um seine Fehler oder die anderer Kollegen zu vertuschen.

Atmen Sie tief durch, bleiben Sie ruhig und weisen Sie auf den Fehler hin. Denn das gehört ebenso dazu. Sie dürfen einen Fehler auf keinen
Fall ignorieren, nach dem Motto: Der Mitarbeiter hat es ja selbst schon gemerkt, da muss ich mich nicht mehr einmischen. Wenn Sie keine Reaktion zeigen, besteht die Gefahr, dass der Mitarbeiter glaubt, Sie billigen sein Verhalten bzw. dass es gar nicht so schlimm ist. Und versteht dann die Welt nicht mehr, wenn Sie beim dritten oder vierten Mal „explodieren“.

 

Regel Nummer 2: Jeder ist zuerst für sich selbst verantwortlich

Wenn Sie einen Fehler entdecken, wissen Sie in der Regel auch die Lösung. Und das verleitet dazu, dem Mitarbeiter immer gleich zu sagen,
wie er es besser machen kann. So verringern Sie die Chance, dass der Mitarbeiter selbst beginnt nachzudenken. Schließlich gehen wir Menschen
meistens den bequemeren Weg. Und wenn jemand merkt, dass ein anderer (nämlich Sie) für ihn mitdenkt, lehnt er sich innerlich zurück und überlässt Ihnen das Feld.

Bevor Sie also eine Lösung aufzeigen, fragen Sie grundsätzlich: „Und was können Sie tun, damit das nicht wieder vorkommt?“ oder „Wie werden Sie dieses Problem lösen?“. Und selbst wenn der Mitarbeiter nicht mit einer fertigen oder der besten Antwort kommt, hat er sich zumindest mit der
Thematik auseinandergesetzt und ist dafür sensibilisiert.

Das Gleiche gilt im Verhältnis der Mitarbeiter untereinander. Wenn ein Kollege einen Fehler beim anderen entdeckt, muss er ihn ruhig und sachlich darauf hinweisen und die Behebung bzw. künftige Lösung erwarten. Dieser Mitarbeiter hat dann die Pflicht, seinen Fehler offenzulegen. Nur wenn er das nicht selbst tut, hat der andere Mitarbeiter das Recht, Sie darüber zu informieren. Damit das funktioniert, braucht es ein extrem hohes Maß an Vertrauen in der Kanzlei, das sich nicht von heute auf morgen aufbauen und schon gar nicht verordnen lässt.

Machen Sie Ihren Mitarbeitern an dieser Stelle klar, dass diese Vorgehensweise letztlich vertrauensbildend ist. Denn welchem Mitarbeiter
vertrauen Sie mehr: demjenigen, der einen Fehler eingesteht, oder demjenigen, bei dem Sie durch Zufall (oder schlimmer noch vom Mandanten) erfahren, dass etwas nicht richtig war.

Um klar zu machen, wie ernst das gemeint ist, steht im Führungsleitbild einer Kanzlei zum Thema Fehlermanagement Folgendes:

„Fehler passieren
jedem. Entscheidend ist es, wie wir damit umgehen.

Wer einen Fehler
gemacht hat, ihn zugibt und bereinigt, hat etwas dazu gelernt – und wir fördern
Mitarbeiter, die an ihrer Ausbildung interessiert sind.

Wer einen Fehler
gemacht hat und ihn verschweigt, begeht wissentlich einen zweiten Fehler – und wir
haben kein Verständnis für Mitarbeiter, die absichtlich Fehler machen.“

 

Regel Nummer 3: Gehen Sie offen mit Ihren eigenen Fehlern um

Wie oft sprechen Sie über Ihre eigenen Fehler in der Kanzlei oder werden auf eigene hingewiesen? Wenn Sie selbst den Nimbus der
Fehlerfreiheit errichten, machen Sie die Hürde für Ihre Mitarbeiter umso größer. Das kommt dann eher einer Beichte gleich, bei der man sich als armer Sünder in Sack und Asche werfen muss, oder einer Palastrevolution, falls Sie „ertappt“ werden. Je offener Sie selbst damit umgehen, dass Sie nicht unfehlbar sind, desto mehr trauen sich die Mitarbeiter, die eigenen Fehler zuzugeben und Fehler als „normal“ zu betrachten.

 

Regel Nummer 4: Lösungsorientiert Denken – Nutzen Sie die 5-W-Methode

Wenn ein Fehler passiert ist, geht es um die Lösung. Die Suche nach Schuldigen und das Problematisieren mögen dem „Ankläger“ ein gutes
Gefühl von Überlegenheit schaffen, sind für den Rest des Teams aber zermürbend.

Lenken Sie die Gedanken also auf die Lösungssuche. Von Toyota stammt zum Fehlermanagement die 5-W-Methode, mit der Sie der Ursache auf den Grund gehen und das Verbesserungspotenzial finden. Fragen Sie dazu 5x nach dem Warum. (Die Anzahl der Nachfragen ist dabei nicht auf fünf begrenzt, diese Zahl ist symbolisch zu verstehen. Wichtig ist, dass so lange nachgehakt wird, bis der fehlerverursachende Prozessschritt eindeutig identifiziert und nicht mehr weiter aufteilbar ist.)

Praxisbeispiel

Fehler / Problem: Wiederkehrende Buchungen sind nicht bei
allen Mandanten angelegt

W1 Warum ist das so?

Verbindliche Vereinbarung fehlt, nicht alle MA wussten, dass das und was zu tun ist

W2 Warum fehlen verbindliche Vereinbarungen? (Die Frage könnte ebenso auch lauten: Warum wussten das nicht alle Mitarbeiter)

Weil Prozesse seit einem Jahr nicht mehr aktualisiert wurden (bzw. weil seit einem Jahr keine Mitarbeiterbesprechungen mehr stattfinden, in denen über solche Dinge gesprochen wird)

W3 Warum wurden die Prozesse nicht aktualisiert?

Prozessbeauftragte ist in Elternzeit und kein Vertreter ernannt

Je weiter also hinterfragt wird, desto mehr Lösungsmöglichkeiten eröffnen sich und im Team wird geklärt, mit welchem Schritt dieses Problem endgültig aus der Welt geschafft werden kann.

 

Ein Klima der Fehlerfreundlichkeit zu schaffen, ist sicherlich nicht einfach. Im Rahmen der Kanzleikultur und wenn Sie ein Qualitätsmanagement haben, spielt das Fehlermanagement eine zentrale Rolle. Und es dauert meist lange, bis das Thema von allen verinnerlicht und gelebt wird. Doch wer es geschafft hat, nutzt seine Ressourcen optimal und weiß wirklich was es bedeutet, dass „Fehler“ Chancen sind.

Eine weitere gute Methode mit Fehlern aktiv umzugehen, ist die DARUM-Methode. Zu finden im Blogbeitrag von Cordula „Fehleralarm? ja, aber angemessen“


Smarte Grüße

Deine Kanzleioptimisten